Die barbarischen Attentate sind durch nichts zu rechtfertigen! Erst recht nicht durch die islamische Lehre. Anbei eine Auswahl wichtiger Koranstellen, die den Terroristen jegliches islamisches Verständnis absprechen.

DIE UNVERLETZLICHKEIT DES LEBENS

Wenn jemand einen Menschen tötet […], so soll es sein, als hatte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so soll es sein, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten.“ (5:33)

„Und tötet nicht das Leben, das Allah unverletzlich gemacht hat…“ (17:34)

TOLERANZ UND GEDULd

„Und schmähet nicht die, welche sie statt Allah anrufen, sonst würden sie aus Groll Allah schmähen ohne Wissen.“  (6:109)

„Sicherlich werdet ihr geprüft werden an eurem Gut und an eurem Blut, und sicherlich werdet ihr viel Verletzendes zu hören bekommen von denen, die vor euch die Schrift empfingen, und von den Götzendienern. Doch wenn ihr geduldig bleibt und redlich handelt, fürwahr, das ist eine Sache fester Entschlossenheit.“ (3:187)

GLAUBENS- UND GEWISSENSFREIHEIT

Es soll kein Zwang sein im Glauben. Gewiss, Wahrheit ist nunmehr deutlich unterscheidbar von Irrtum; wer also sich von dem Verführer nicht leiten lässt und an Allah glaubt, der hat sicherlich eine starke Handhabe ergriffen, die kein Brechen kennt; und Allah ist allhörend, allwissend.“ (2:257)

Und hätte Allah gewollt, Er hätte euch alle zu einer einzigen Gemeinde gemacht, doch Er wünscht euch auf die Probe zu stellen durch das, was Er euch gegeben. Wetteifert darum miteinander in guten Werken. Zu Allah ist euer aller Heimkehr; dann wird Er euch aufklären über das, worüber ihr uneinig wart.“ (5:49)

„Und hätte dein Herr Seinen Willen erzwungen, wahrlich, alle, die auf der Erde sind, würden geglaubt haben insgesamt. Willst du also die Menschen dazu zwingen, dass sie Gläubige werden? (10:100)

WAS HÄTTE MUHAMMAD GETAN?

Der Koran kennt keine Strafe für Blasphemie und Muhammad ertrug Spott mit Geduld. Terroristen, die vorgeben, die Ehre des Propheten zu verteidigen, verhöhnen die Lehre Muhammads. Nach den grausamen Anschlägen auf die Karikaturisten von Charlie Hebdo fragte ich mich: Wie hätte wohl der Prophet Muhammad auf die Karikaturen reagiert? Was hat er getan, wenn er verspottet, beleidigt und beschimpft wurde?  Mir fiel eine islamische Überlieferung ein, die von einer Nachbarin des Propheten berichtet, die ihn täglich mit Müll bewarf und beschimpfte. Als sie dies eines Tages nicht mehr tat, erkundigte sich der Prophet nach ihrem Wohlergehen und kümmerte sich um sie, weil sie krank war.

DER PROPHET ALS BARMHERZIGKEIT FÜR ALLE WELTEN

Es ist diese und ähnliche Überlieferungen über den gütigen und nachsichtigen Umgang des Propheten Muhammad mit seinen Mitmenschen, die in Muslimen einen tiefen Respekt für ihren Propheten hervorrufen, der im Koran als „Barmherzigkeit für alle Welten“ (21:108) beschrieben wird. Um zu verstehen, warum so viele Muslime Karikaturen über ihren Propheten ablehnen, muss man verstehen, warum Muslime ihren Propheten aufs innigste lieben. Der Koran beschreibt in der Sure 63, Vers 9 wie der Muhammad von einem damaligen Feind, Abdullah bin Ubbay bin Salul, auf übelste Weise beschimpft wurde. Als Reaktion geriet der Sohn von Abdullah, der zum Islam konvertiert war, derart in Wut, dass er sich gemäß der damaligen Sitten  gewaltsam an seinem eigenen Vater rächen wollte. Der Prophet Muhammad erlaubte dies nicht. Als Abdullah später eines natürlichen Todes verstarb, gab Muhammad zum Erstaunen aller sein eigenes Hemd, damit der Leichnam darin eingewickelt werden könne und leitete das Totengebet.  Es gab schon damals einige Muslime, die nicht verstehen konnten, warum sich der Prophet einem der schlimmsten Feinde des Islams gegenüber so gütig erwies. Der Prophet ließ sich davon jedoch nicht beirren und betete voller Schmerz für seine Feinde (18:7).

BLASPHEMIE IM KORAN

Es gibt vier weitere Stellen im Koran, die Blasphemie thematisieren: An zwei Stellen heißt es, Muslime sollen Versammlungen verlassen, in denen über Allah gespottet wird: „Wenn du jene siehst, die über die Zeichen Allahs töricht reden, dann wende dich ab von ihnen, bis sie ein anderes Gespräch führen.“ (6:69, vgl. auch 4:141). Eine weitere Stelle ermahnt die Muslime selbst nicht über das Heilige anderer zu spotten (6:109). Und schließlich werden Verleumdungen gegen Maria, der Mutter Jesu (4:157) verurteilt. Keine einzige dieser fünf Verse des Korans fordert irgendeine Form der weltlichen Strafe für Blasphemie. Niemals wird zur Gewalt aufgerufen, im Gegenteil, es heißt in aller Deutlichkeit: „Und ertrage in Geduld alles, was sie reden; und scheide dich von ihnen in geziemender Art“ (z.B. 73:10).

WIE MUSLIME REAGIEREN SOLLTEN

Die Attentäter von Paris, die vorgaben, die Ehre des Muhammads verteidigen zu wollen, haben mit ihrer Tat die Lehre des Propheten konterkariert und sich diametral dem widersetzt, was der Prophet vorgelebt hat. Keine Karikatur hätte die Ehre des Propheten derart verhöhnen können, wie es die gewaltsamen Anschläge auf Charlie Hebdo getan haben. Das was Muslime tun sollten, wenn sie schmerzlich von verunglimpfenden Darstellungen des Propheten getroffen werden, ist seinem Vorbild zu  folgen und sich in Geduld zu üben sowie Segensgebete für ihren Propheten zu sprechen. Stattdessen beobachten wir immer wieder, wie einige muslimische Extremisten sich aufwiegeln lassen, wütend demonstrieren oder sogar Gewalt anwenden. Dies hat auch etwas damit zu tun, dass sich innerhalb des Islam eine Lesart entwickelt hat, die Blasphemie und Apostasie (Religionswechsel) für strafwürdig hält – obwohl es dafür keine koranische Grundlage gibt. Fast die Hälfte aller Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit stellen Apostasie und Blasphemie jedoch unter strenger Strafe. Eine große Anzahl muslimischer Gelehrte leitet dies aus Überlieferungen des Propheten ab, in denen von Spöttern die Rede ist, die bestraft wurden. Diese Überlieferungen beziehen sich jedoch auf Personen, die während einer Kriegssituation Hochverrat begingen oder des Mordes schuldig waren. Da sie zugleich auch Apostaten waren oder als Feinde des Islams über den Propheten spotteten, verleitete dies einige Exegeten zu dem Fehlschluss, Apostasie und Blasphemie müssten bestraft werden. Dies widerspricht aber, wie oben gezeigt, sowohl dem Koran selbst als auch der Praxis des Propheten.

EIN ANSCHLAG AUF DIE MENSCHHEIT

Es ist daher wichtig, einen innerislamischen, theologischen Disput über den richtigen Umgang mit den Quellen des Islams zu führen. Zentral ist dabei, alle Überlieferungen abzulehnen, die dem Geist des Korans widersprechen, da dieser als Offenbarung Gottes gilt, wohingegen die Überlieferungen zu einem großen Teil als nicht authentisch angesehen werden. Der Koran jedoch betont den Wert des Menschenlebens, es heißt ausdrücklich: „…wenn jemand einen Menschen tötet – es sei denn für (Mord) an einem anderen oder für Gewalttat im Land –, so soll es sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so soll es sein, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten. Und Unsere Gesandten kamen zu ihnen mit deutlichen Zeichen; dennoch, selbst nach diesem, begehen viele von ihnen Ausschreitungen im Land.“ ( 5:33 ). Der terroristische Angriff auf Charlie Hebdo stellt daher aus islamischer Sicht ein ungeheuerliches Vergehen da,  einen mehrfacher Anschlag auf die Menschheit.

RESPEKTVOLLES MITEINANDER

Muslime müssen sich nun bemühen die Deutungshoheit über ihre Religion von Extremisten zurück zu erobern, indem sie es nicht zulassen, dass eine pervertierte Lesart des Islams an Dominanz gewinnt. Es muss ihnen gelingen anhand der muslimischen Quellen einen innerislamischen Diskurs zu führen, der der instrumentalisierenden Exegese fanatischer Prediger die theologische Grundlage entzieht. Auf der anderen Seiten muss man sich die Frage nach der Verantwortung der Medienschaffenden stellen. Meinungsfreiheit ist ein wichtiger Wert, der auch im Koran verankert ist. Wenn der Koran die Gläubigen aber gleichzeitig dazu auffordert, sich nicht abfällig über andere Götter zu äußern, ist das ein wichtiges Anliegen für ein respektvolles miteinander. Ein Muslim wird dazu angehalten, an alle Propheten zu glauben und keinen Unterschied zwischen den Gesandten zu machen (3:85). Auch eine Karikatur von Jesus beispielsweise, der für die Muslime ein wichtiger Prophet ist, verletzt viele Muslime. Sie würden ebenfalls keine Karikaturen des Papsts gutheißen. Die deutlichen Worte von Papst Franziskus, der betonte, man dürfe den Glauben anderer nicht beleidigen, wurde von vielen Muslimen daher mit Wohlwollen aufgenommen. Papst Franziskus sagte auch, wer seine Mutter beschimpfe, der müsse mit einen Faustschlag rechnen. Wenn man weiß, dass Muslime den Propheten Muhammad oft mehr lieben als ihre liebsten Verwandten, wird vielleicht deutlich, warum Karikaturen so vehement abgelehnt werden – auch wenn dies niemals eine Rechtfertigung für Gewalt sein darf.