Podien: Unsere Autorin will kein kopftuchtragendes Feigenblatt für populistische „Islamkritik“ sein

Ich bin eine muslimische Hijabi, also quasi der personifizierte Alptraum des Abendlandes, aber sadistisch veranlagt bin ich eigentlich nicht. So war ich überrascht, als ich kürzlich vom Innenministerium eines europäischen Nachbarlandes zu einer Diskussion eingeladen wurde und erfuhr, mit wem ich zusammen auf dem Podium sitzen sollte: Vier populistische „Islamkritiker“ (immerhin zwei Frauen), für die das Kopftuch die Flagge des Bösen ist und der Islam, bitteschön, schnellstens abgeschafft gehört, wurden da gegen mich in Stellung gebracht.

Nichts gegen konstruktive Kritik. Aber stellen Sie sich vor, Sie sind Veganer und werden gemeinsam mit vier fanatischen Fleischfressern eingeladen, über die Gefahren des Tofukonsums zu sprechen. Hätten Sie nicht auch das Gefühl, Sie würden dem Mob zum zerfleischen vorgeworfen? Mir schwant, da wurde wieder einmal eine Quoten-Tuchträgerin gesucht, um ein bisschen Ausgewogenheit zu suggerieren. Ein Alibi fürs gute Gewissen. So wie das Salatblättchen auf dem Brötchen beim Bahnhofsbäcker, das zwischen den Buletten rauslugt und uns Gesundheit verklickern soll. Das Prinzip ist einfach: im Großkonzern reicht eine einzige Frau, um gendergerecht zu wirken. In Talkshows und auf Podien genügt eine Frau mit Kopftuch, um eine Diskussion über den Islam fair aussehen zu lassen. Vier Buletten und ein Salatblatt – gerade beim Thema Islam scheinen deutsche Talkshowredaktionen ihre Sessel nach diesem Schema zu besetzten. Aber wissen Sie was: Wer es nicht ernst meint mit dem Dialog, der sollte es vielleicht einfach bleiben lassen.

Andererseits sind die anderen Buletten auf dem Podium auch oft Alibis. Ein bisschen traumatische Biografie hier, ein paar auswendig gelernte Koranverse dort und ein irgendwie muslimischer Background. Fertig ist der Islamkritiker des Vertrauens, mit scharf. Etwa so glaubwürdig, wie fettige Salatsoße, die als leichtes „Joghurtdressing“ daherkommt oder Heidi Klum, die für Fast-Food wirbt – als ob die Verpackung das Produkt macht. Dabei bleiben die Brötchen Kalorienbomben. Und antimuslimischer Rassismus wird nicht leichter verdaulich, wenn er von Muslimen selbst kommt.

Aber das Publikum glaubt eben gern, was es glauben will: Migration ist die Mutter aller Probleme und der Gammelfleischburger ein herzhafter Eisenlieferant. Wahrscheinlich gehe ich trotzdem zu der Podiumsdiskussion mit den vier Buletten. Schließlich bin ich omnivor: Allesfresserin.

Khola Maryam Hübsch

Freitag, Ausgabe 45/2018