Das Kopftuch ist kein politisches Symbol der Unterdrückung, sagt die Autorin Khola Maryam Hübsch. Es plädiert vielmehr für einen respektvollen Umgang der Geschlechter miteinander. Am 1. April 2004 beschloss der Landtag Baden-Württemberg als erstes Bundesland ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an staatlichen Schulen.

epd: Was halten Sie davon, dass Lehrerinnen in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern verboten wird, ein Kopftuch zu tragen?

Hübsch: Es ist dringend an der Zeit, dass das Kopftuchverbot gekippt wird, denn es fußt auf einer Prämisse, die nicht haltbar ist. Grundlage für das Verbot war die Behauptung, das Kopftuch sei ein politisches Symbol für die Unterdrückung der Frau. Die empirischen Untersuchungen, die sich im Anschluss mit den Motiven von Kopftuchträgerinnen in Deutschland beschäftigt haben, kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass die überwältigende Mehrheit das Kopftuch aus religiösen Gründen trägt und darin keinen Widerspruch zur Gleichwertigkeit von Mann und Frau sieht.

epd: Sie schreiben in Ihrem neuen Buch: ‚Ein Schleierverbot ist ebenso eine Menschenrechtsverletzung wie ein Schleierzwang‘ – wieso?

Hübsch: Zu den Menschenrechten gehört das Recht auf Selbstbestimmung. Wenn eine Frau fremdbestimmt wird, was die Wahl ihrer Kleidung angeht, ist das problematisch. Kopftuchtragende Frauen werden gezwungen, sich für ihren Glauben oder ihren Beruf zu entscheiden, das darf nicht sein. Hinzu kommt, dass die meisten Bundesländer mit Kopftuchverbot es gleichzeitig jedoch Nonnen erlauben, mit der Haube an staatlichen Schulen zu unterrichten, da sie Ausnahmeklauseln für „christlich-abendländische“ Traditionen beinhalten. Damit ignorieren sie die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, nach der alle Religionen gesetzlich gleich behandelt werden müssen. Es kann in einer Demokratie nicht sein, dass die Religion der Mehrheit bevorzugt wird und Minderheiten diskriminiert werden.

epd: Sie bezeichnen das Kopftuch als ein Symbol der Emanzipation der Frau der Liebe schlechthin. Wie meinen Sie das genau?

Hübsch: Wenn das Kopftuch aus religiöser Überzeugung getragen wird, dann ist das Hauptmotiv dahinter die Liebe zu Gott. Das Kopftuch drückt die Verbundenheit zum Allmächtigen aus, die lebendige Beziehung zu ihm macht frei von Abhängigkeiten, denn Gott ist größer. Es geht aber auch eine gesellschaftliche Implikation aus von der Philosophie, die hinter dem Kopftuch steht. Es geht dabei weniger um ein Stück Stoff, sondern um eine bestimmte Haltung, die für Männer und Frauen gleichermaßen gilt. Geschlechtergerechtigkeit und ein würdevoller Umgang zwischen den Geschlechtern ist das Ziel dieser Philosophie, die für eine reizarme Atmosphäre in der Öffentlichkeit plädiert.Derzeit beobachten wir eine gegenteilige Entwicklung: Die zunehmende Sexualisierung unserer Gesellschaft suggeriert, dass vor allem die Frau eine allzeit verfügbare Ware sei. Viele junge Frauen sind sich nicht einmal bewusst, wie sehr sie den männlichen Blick internalisiert haben.

epd-Gespräch: Judith Kubitscheck