Neulich war ich in Bensheim und habe einen Vortrag über die Frau im Islam gehalten. Anlass für die Veranstaltung in der Bashier-Moschee war der Stern-Titel vom 8. Juli 2010 zum Thema „Frauen im Islam – wie sie im Namen Allahs unterdrückt werden und sich dagegen wehren“.
Der Leitartikel thematisiert auf 15 großflächig bebilderten Seiten das Thema „Burka, Zwangsheirat, Peitschenhiebe, Steinigung“ wie es im Untertitel heißt. Obwohl der Artikel selbst auch differenzierte Absätze enthält, in denen etwa muslimische Frauen zu Wort kommen, die erklären, dass der heilige Prophetsaw den Frauen „Freiheiten verschaffte, die zu seiner Zeit unerhört waren“ und erwähnt wird, dass der Koran als machtvolles Instrument gegen die Frauenunterdrückung dienen kann, bestärkt v.a. die visuelle Aufmachung des Artikels doch wieder Vorurteile über der Stellung der Frau im Islam.
So werden z.B. mehrere frauenfeindlich wirkende Koranverse besonders hervorgehoben dargestellt, ohne auf den Kontext einzugehen und diese angemessen zu erklären. Wenn Sure 4:35 zitiert wird „Die Männer stehen über den Frauen, weil Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat“ und nicht erwähnt wird, dass es nur kurz vorher heißt: „Und begehrt nicht das, womit Allah die einen von euch vor den andern ausgezeichnet hat. Die Männer sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst, und die Frauen sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst.“(4:33), dann ist dies in der Tat irreführend. Denn aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass Männer und Frauen beide gleichwertig von Allah mit bestimmten Fähigkeiten ausgezeichnet sind. Auch wenn es mittlerweile unbeliebt ist, das zu äußern: Es gibt nun einmal bestimmte Unterschiede zwischen den Geschlechtern, was jedoch nicht heißen soll, dass man Individuen aufgrund ihres Geschlechtes in eine soziale Rolle drängen will. Aber es heißt schon, dass die Geschlechter in manchen (wenigen) Bereichen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgezeichnet sind, die ihnen vorbehalten sind. Männer werden nun mal nie die unglaubliche Erfahrung machen, ein Kind auszutragen, das bleibt in der Regel das Privileg der Frau. Deutlich sollte werden: Es geht nicht um die Benachteiligung eines Geschlechtes.
Doch solche Erklärungen finden sich im Artikel nicht, vielmehr wird über grausame Strafen und Frauenunterdrückung in sog. islamischen Ländern berichtet, so dass insgesamt das Bild entsteht, der Islam sei die Ursache für gravierende Menschenrechtsverletzungen.
Während einer live-Sendung der Sendereihe „Aspekte des Islams“ hatte ich die Gelegenheit mit der Autorin des Stern-Artikels, der Journalistin Cornelia Fuchs, zu diskutieren. Sie betonte, dass ihrer Meinung nach der Artikel deutlich macht, dass nicht der Islam die Ursache für Frauenunterdrückung sei. Den mehrfach geäußerten Einwand, dass allein die optische Darstellung ein anderes Bild vermittelt, konnte sie nicht nachvollziehen. Hier ist die Diskussion zu sehen.
Merkwürdig auch, wie sich bestimmte Mythen über den Islam hartnäckig halten und in den Medien oder von Muslimen selbst immer wieder kolportiert und repliziert werden, bis man fast schon meint, sie seien wahr. In den letzten Wochen war es nicht nur Aufgrund des Stern-Artikels der suggerierte Zusammenhang zwischen der islamischen Lehre und der Steinigung. Es gibt faktisch keine einzige Stelle im Koran, wo das Thema Steinigung vor kommt. Gemäß einer Überlieferung über deren Authentizität man sich streiten darf, habe der Prophetsaw des Islam eine jüdischen Frau, die selbst forderte für ihren Ehebruch betraft zu werden, sie sich sträubend vor die Wahl gestellt, nach dem Gesetzt der Juden oder der Muslime gestraft zu werden. Sie habe sich für das jüdische Gesetzt entschieden, und die Thora schreibt nun mal die Steinigung für Ehebruch vor. Einer anderen Version zu folge habe der Prophetsaw nach dem Gesetzt der Thora gerichtet, da der Koran zu dem Zeitpunkt noch nicht vollständig herabgesandt war und keine Strafe für Ehebruch formuliert worden war.
Letztendlich ist es irrelevant, ob diese Überlieferungen stimmen oder nicht. Denn es gibt einen breiten Konsens darüber, dass bei einer Diskrepanz zwischen Inhalten aus der Überlieferung und Koranversen immer zugunsten des Korans entschieden wird. Und der Koran kennt keine Steinigung. Wenn nun in einigen sog. islamischen Ländern trotzdem gesteinigt wird, dann ist dies in der Tat eine barbarische Tat. Traurig, wenn dies im Namen des Islam getan wird, wiewohl es keine Grundlage dafür im Koran gibt. Übrigens: Die Strafe, die im Koran für Ehebruch vorgeschrieben wird, unterliegt einer Vielzahl von Bedingungen, die ebenfalls im selben Zusammenhang im Koran erwähnt werden. Z.B., dass vier Zeugen den Ehebruch unabhängig voneinander gesehen haben müssen! Letztendlich handelt es sich also um nichts anderes, als um eine andere Version dieses Paragraphen:
Paragraph 183a StGB (Erregung öffentlichen Ärgernisses): „Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in §183mit Strafe bedroht ist.“