Es wird Zeit, dass die Köpfe, über deren Köpfe hinweg man sich gern um Kopf und Kragen redet, gehört werden!

Hinter dem Kopftuch steht eine ganze Lebensphilosophie – es geht schließlich um den Kopf unter dem Tuch. Wer ihn verstehen will, muss mit denjenigen sprechen, die es tragen. Ich glaube, viele muslimische Frauen haben es satt, sich von „Islamkritikern“ und „liberalen Musliminnen“ erklären zu lassen, wir seien patriarchalisch indoktriniert, wenn wir uns für das Kopftuch entscheiden. Wir können sehr gut für uns selbst denken und sprechen. Es wird Zeit, dass die Köpfe, über deren Köpfe hinweg man sich gern um Kopf und Kragen redet, gehört werden! Wer wirklich verstehen will, warum selbstbewusste Frauen, die für mehr Geschlechtergerechtigkeit kämpfen, ein Kopftuch tragen, dem hilft ein Einblick in die Spiritualität des Islams. Denn für den Blick jenseits von Klischees ist ein Perspektivwechsel nötig. Im Kern geht es mir als gläubige Muslimin um innere Freiheit und die Emanzipation von gesellschaftlichen Repressionen, die oft durch kapitalistische Strukturen befeuert werden. Nichts macht freier, als eine lebendige Beziehung zu Gott, die das Bewusstsein für Ungerechtigkeit schärft.

Wer frauenverachtende Mechanismen durchschauen und bekämpfen will, findet in vielen gläubigen Muslimen einen spannenden Bündnispartner. Voraussetzung dafür ist ein Verständnis für ihren Glauben, der nicht nur den eigenen Horizont erweitert, sondern auch einen kritischen Blick in den Spiegel ermöglicht. Was am Ende alle voran bringt, ist die Auseinandersetzung mit dem Fremden. Denn im Fremden bekämpfen wir oft das verdrängte Eigene. An der Diskussion um das Kopftuch zeigt sich letztlich auch, wie feministische Argumente benutzt werden, um Frauen von oben herab zu bevormunden und dahinterliegende rassistische Ressentiments zu verschleiern. Es ist wichtig Allianzen zu bilden und sich nicht in Kleinkriegen zu verlieren – gemeinsam gegen Unterdrückung, Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungerechtigkeit!

Schade, dass wir noch nicht so weit sind, mal tiefer in das Thema einzusteigen und uns wirklich inhaltliche Fragen zu stellen, die neu sind, die ein neues Denken ermöglichen. Was mich interessieren würde, wäre ein Diskurs auf Augenhöhe, der den Kern der Debatten thematisiert – jenseits  der Diskussion um langweilige Stereotype und Rassismus, jenseits der frauenverachtenden Praktiken in der sog. Islamischen Welt  wäre es spannend ins Gespräch darüber zu kommen, wie sich der Islam die Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit vorstellt. Das könnte wirklich neue Denkräume eröffnen!